Phänomenbereich
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Körperliche Gewalt Sexualisierte Gewalt Psychische Gewalt Digitale Gewalt
Gewalt in Partnerschaften kommt in allen gesellschaftlichen Schichten vor und ist unabhängig von Herkunft, Bildung oder Einkommen. Sie kann in unterschiedlichen Formen als körperliche, sexualisierte, psychische und auch digitale Gewalt in Erscheinung treten. Gewalt in Paarbeziehungen zielt in der Regel darauf ab, Macht und Kontrolle über die (Ex-)Partnerin oder den (Ex-)Partner zu erlangen und aufrecht zu erhalten. Weiterlesen
Bei (Ex-)Partnerschaftsgewalt handelt es sich um ein ernstes soziales und gesundheitliches Problem, das Frauen, Männer und diversgeschlechtliche Menschen betrifft, wobei Frauen insbesondere von schwerwiegender Partnerschaftsgewalt häufiger betroffen sind.
Die Verhütung und Bekämpfung von (Ex-)Partnerschaftsgewalt stellt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar, wobei nicht nur Betroffene selbst, sondern insbesondere Menschen aus deren persönlichem Umfeld als erste Ansprechpartnerinnen und -partner im Folgenden sensibilisiert werden sollen.
Körperliche Gewalt
Unter körperlicher (Ex-)Partnerschaftsgewalt versteht man jede Form von physischer Misshandlung, die innerhalb der Paarbeziehung oder auch nach Beendigung dieser Beziehung auftritt. Körperliche Gewalt in einer (ehemaligen) Beziehung ist der Einsatz von physischer Kraft mit der Absicht, die Partnerin bzw. den Partner zu verletzen, zu kontrollieren oder einzuschüchtern.
Von allen Formen der (Ex-)Partnerschaftsgewalt ist in der Regel nur die körperliche Gewalt eindeutig von außen erkennbar.
Zu den Formen körperlicher Gewalt gehören u.a. (nicht abschließend):
Häufig beginnt eine von Gewalt geprägte Paarbeziehung mit psychischer Gewalt, bevor körperliche Gewalt ausgeübt wird. Diese Gewalt ausübende Person begegnet ihrer Partnerin / ihrem Partner nicht mehr auf Augenhöhe, sondern versucht, sie oder ihn herabzusetzen, um so die eigenen Interessen durchzusetzen.
Mit der Zeit entwickelt sich so ein Klima der Anspannung, Angst und Bedrohung. Eine Eskalation in Form körperlicher Gewalt kann durch banale Anlässe ausgelöst werden, durch einen Streit, bei dem die Gewalt ausübende Person die Kontrolle über die Situation durch körperliche Gewalt sichern will.
Auf den Gewaltausbruch folgen häufig Entschuldigungen sowie Reueerklärungen und der Partner / die Partnerin verspricht in vielen Fällen, dass es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe und es nicht wieder vorkommen werde. Danach beginnt oftmals eine Zeit verstärkter Zuwendung.
Die betroffene und auch die tatausübende Person verhalten sich so, als wäre nichts geschehen. Die betroffene Person hofft, dass sich die Gewalteskalation nicht wiederholt und versucht, alles zu tun, um die Spannung niedrig zu halten. Vor sich selbst verharmlost sie ihre Belastung und die Gefährlichkeit der Situation, vor anderen verheimlicht sie sie. Erst mit der Zeit merkt die betroffene Person, dass sie das immer stärker werdende gewalttätige Verhalten ihres Partners / ihrer Partnerin nicht beeinflussen und kontrollieren kann, auch wenn sie versucht, Situationen der Konfrontation zu verhindern, um Gewaltausbrüche zu vermeiden. Die betroffene Person befindet sich in einem Dauerzustand von Unsicherheit, Angst, Bedrohung und Belastung.
Körperliche Gewalt ist oft am Körper sichtbar (auch versteckt möglich): z.B. blaue Flecken, Quetschungen, Prellungen, Schnitte, Verbrennungen, Knochenbrüche oder Blutungen. Solche Verletzungen sollten von einer Ärztin oder einem Arzt untersucht werden, vor allem um innere Blutungen und Organverletzungen ausschließen zu können.
Auch können diese Verletzungen als Beweis dienen, wenn sich die Betroffenen für eine Anzeige bei der Polizei entschließen. Manchmal sind sich Betroffene jedoch nicht sicher, ob sie den Weg einer Anzeigeerstattung einschlagen wollen. Um dafür zu sorgen, dass die Verletzungen dennoch dokumentiert werden, gibt es die so genannte vertrauliche Spurensicherung.
Jeden Tag versucht ein Mann seine (Ex-)Partnerin zu töten.
An jedem 3. Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet.
Sexualisierte Gewalt
Bei sexualisierter Gewalt handelt es sich um alle sexuellen Handlungen, die gegen den Willen eines anderen Menschen geschehen oder um sexuelle Handlungen an Menschen, die nicht zustimmen oder ablehnen können (z.B. bei bewusstlosen Personen oder Personen mit geistigen / körperlichen Einschränkungen). Weiterlesen
Sexualisierte Gewalt wird oft mit Vergewaltigung assoziiert. Jedoch fängt auch hier die Gewalt viel niedrigschwelliger an.
Jede 4. Frau in Deutschland wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder ehemaligen Partner.
Zu den Formen sexualisierter Gewalt gehören u.a. (nicht abschließend):
ungewollte sexuelle Anspielungen, sexualisierte Gesten und Äußerungen
vehemente Versuche, die Partnerin / den Partner umzustimmen;
„beleidigt“ sein, wenn die Partnerin / der Partner keine sexuellen Handlungen vornehmen (lassen) möchte
erzwungene Umarmungen, Küsse und weiteres Anfassen
Auf der einen Seite kann die Demütigung der Frau und Partnerin, die Kontrolle über sie und das Aufrechterhalten eines Machtgefälles Ziel solcher Handlungen sein.
Auf der anderen Seite kann die Annahme ein grundsätzliches Recht auf sexuelle Handlungen zu haben, zu Formen sexualisierter Gewalt führen. Ein solches Recht kann weder eingefordert noch durchgesetzt werden. Eine Zustimmung zu sexuellen Handlungen kann zudem jederzeit verweigert oder zurückgezogen werden.
Sexuelle Gewalt in der Ehe
Lange Zeit war die Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar. Der Bundesgerichtshof belehrte die Frauen hierzu noch 1966 wie folgt:
„Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt.“
„Wenn es ihr versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft.“
„… und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu stellen.“
Seit 1997 ist die Vergewaltigung in Ehe eine Straftat und wird als Verbrechen verfolgt.
Psychische Gewalt
Psychische Gewalt beschreibt alle Formen der emotionalen Schädigung und Verletzung einer Person. Da dies von Betroffenen und auch deren Umfeld meist gar nicht als Gewaltform erkannt wird, leiden sie nicht selten mehrere Monate oder Jahre unter den Taten. Weiterlesen
Begünstigt wird dies, wenn die gewaltausübende Person manipulativ und strategisch vorgeht. Verhält sich die gewaltübende Person in der Öffentlichkeit freundlich und zugewandt, erscheint die betroffene Person bei gegenteiligen Behauptungen unglaubwürdig. Wenn sie sich schließlich aus Angst aus ihrem sozialen Umfeld weiter zurückzieht, verleiht dies der gewaltausübenden Person noch mehr Macht. Psychische Gewalt ist für Außenstehende nicht sichtbar, trotzdem in vielen Fällen strafrechtlich verfolgbar.
Jede Form der (Ex-)Partnerschaftsgewalt dient dazu, Macht und Kontrolle auszuüben!
Zu den Formen psychischer Gewalt gehören u.a. (nicht abschließend):
- abwerten/beleidigen
- bedrohen
- einschüchtern
- Gaslighting
- Ghosting
- Silent Treatment
- ständiges kritisieren
- Schuldzuweisungen
- als „Witze“ getarnte Kränkungen
- Isolation vom sozialen Umfeld
- extreme Eifersucht
- finanzielle Einschränkungen: Verweigerung des Kontozugangs, Arbeitsverbot, Verweigerung von Geld, Wegnahme von Geld, u.a.
- Kontrolle und Verbote
- emotionale Erpressung
- Stalking
- u.v.m.
Toxische Beziehungen sind allgemein Beziehungen, die von negativen Dynamiken, schädlichem Verhalten und emotionaler Abhängigkeit geprägt sind. In solchen Beziehungen können ein oder beide Partner regelmäßig unter Druck gesetzt, verletzt oder manipuliert werden. Somit handelt es sich bei toxischen Beziehungen nicht zwingend um von einem Machtgefälle geprägte Gewaltbeziehungen, bei dem es ein Opfer und einen Täter / eine Täterin gibt.
Oftmals verbirgt sich auf der einen Seite eine verlust- und auf der anderen Seite wiederum ein bindungsängstliches Verhalten. Beide Partner/-innen versuchen, ihre Ängste mit Strategien zu kompensieren – einerseits, um die Partnerin / den Partner zu halten und nicht verlassen zu werden, andererseits um die Partnerin / den Partner auf Abstand zu halten, um einer möglichen Verletzung durch zu viel Nähe vorzubeugen.
Die folgenden Strategien sind dabei oftmals Begleiter dieser Beziehungen:
Durch diese Strategien kommt es nicht selten zu einer emotionalen Abhängigkeit: Versöhnungsphasen werden als unglaubliches Hoch empfunden, während es immer wieder zu Tiefs kommt, die wiederum in Versöhnungen enden. Es entsteht quasi eine Sucht nach Versöhnung, während die negativen Momente immer häufiger werden. Ein Teufelskreis entsteht.
Wichtig ist: Diese Verhaltensweisen sind oftmals gar nicht absichtlich, sondern begründen sich in erlernten Mustern aus der Kindheit. Menschen können so immer wieder Partnerschaften mit gleichen Mustern eingehen. Eine Lösung ist hier zumeist nur die Aufarbeitung der eigenen Verhaltensmuster und Vergangenheit.
In der Welt der Beziehungen gibt es nicht nur Sonnenschein und Regenbogen – manchmal landet man in einer regelrechten Achterbahn der Gefühle, so dass man geradezu einer Liebessucht verfallen kann. Solche Beziehungen können sich zu sogenannten toxischen Beziehung entwickeln.
Hier sind die typischen Phasen, die viele in diesen Beziehungen erleben:
- Die Verzauberung (Honeymoon Phase)
Alles beginnt wie im Märchen. Funken fliegen, Herzen schlagen schneller und die Welt scheint rosarot. In dieser Phase überwiegen die positiven Gefühle, und die Partner/-innen sind davon überzeugt, dass ihre Liebe unzerstörbar ist. Es kommt zu einer Idealisierung der Partnerin / des Partners. Oftmals ist diese aber nur einseitig. - Die Normalität trügt
Nach der anfänglichen Euphorie schleichen sich erste Anzeichen von Unstimmigkeiten ein. Kleinere Konflikte werden vielleicht ignoriert oder als normale Höhen und Tiefen einer Beziehung abgetan. Manchmal gibt es jedoch auch erste Anzeichen von Kontrollverhalten oder Manipulation, Fremdgehen, Lügen, Grenzüberschreitungen. Hier schleicht sich vielleicht schon ein komisches oder irritiertes Bauchgefühl ein – „Irgendwas stimmt hier doch nicht”, “Er/sie war doch am Anfang noch so unfassbar gut zu mir“. - Der Kampf um die Macht (Power Struggle)
Die anfängliche Harmonie weicht dem Machtkampf. Die Partner/-innen versuchen, ihre Bedürfnisse und Wünsche durchzusetzen, oft auf Kosten des anderen. Kommunikation wird schwieriger, und die Beziehung gerät in Turbulenzen. Misstrauen und Enttäuschung können die Atmosphäre vergiften. - Die Isolation (Isolation Phase)
In dieser Phase ziehen sich die Partner/-innen oft voneinander zurück. Die Beziehung wird zunehmend isoliert, indem soziale Kontakte vernachlässigt oder sogar abgebrochen werden. Die toxische Dynamik wird intensiver, während sich die Partner/-innen mehr und mehr aufeinander fokussieren. - Die Entscheidung
Irgendwann kommt der Punkt, an dem die Partner/-innen eine Entscheidung treffen müssen: Weitermachen und hoffen, dass sich die Dinge verbessern, oder den Mut aufbringen, die Beziehung zu beenden. Diese Entscheidung ist oft schmerzhaft, aber notwendig für das persönliche Wohlbefinden. - Das Ende und der Neuanfang
Die toxische Beziehung endet, sei es durch eine bewusste Entscheidung oder aufgrund äußerer Umstände. Nach dem Sturm folgt die Ruhe. Diese Phase ermöglicht Raum für persönliches Wachstum, Selbstreflexion und die Heilung von emotionalen Wunden. Ein Neuanfang ist möglich, sei es allein oder mit einem neuen Partner / einer neuen Partnerin.
Es ist wichtig zu erkennen, dass nicht alle Beziehungen diesen Verlauf nehmen und dass es immer Ausnahmen gibt. Dennoch bieten diese Phasen einen Einblick in die oft verwirrende und emotionale Reise toxischer Beziehungen. Manchmal ist es notwendig, die Achterbahn zu verlassen, um wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.
(Ex-)Partnerschaftsgewalt existiert in allen Bildungs- und Einkommens-schichten, sowie allen Altersgruppen, Religionen und Kulturen.
Digitale Gewalt
Digitale Gewalt umfasst verschiedene Formen von Gewalt, die mithilfe technischer Geräte (Smartphones, Laptops, Mini-Kameras, Ortungs-Tracker etc.) und über Apps, Programme und Plattformen (Messenger-Dienste, E-Mail, soziale Medien, Stalkerware etc.) ausgeübt werden.
Zu den Formen digitaler Gewalt gehören u.a. (nicht abschließend):
- Verlangen der Herausgabe von Codes und Passwörtern
- unerwünschte Kommunikation über Geräte oder Profile der Partnerin / des Partners, unerwünschte Bestellungen von Waren und Dienstleistungen
- Ortung bzw. Standortverfolgung (Überwachung)
- Ausspionieren und Abfangen von Daten mit und ohne Spyware
- Belästigungen, Bedrohungen oder Terrorisierung über Anrufe, Messenger-Nachrichten, E-Mails etc.
- Beleidigen und Bedrohen über das Internet durch das Versenden belästigender Nachrichten oder das Streuen gezielt falscher Informationen
- Fotografieren und Filmen der Betroffenen ohne Zustimmung
- Weitergabe oder Veröffentlichung von privaten digitalen Aufnahmen ohne Zustimmung der Betroffenen (auf Social-Media-Kanälen oder pornografischen Seiten)
- Zusenden und Weiterleiten von pornografischen Bildern und Videos ohne Zustimmung des Empfangenden („Dickpics“)
Durch die Anonymität im Internet und die Vielzahl an Social-Media-Kanälen werden täglich Menschen Opfer von digitalen Angriffen. Als geschlechtsspezifische Gewalt sind diese Angriffe häufig Teil von gewaltgeprägten Partnerschaften und auch Trennung. Dabei stellt diese digitale Gewalt meist eine Ergänzung zur bereits vorhandenen analogen Gewalt im Alltag dar. Weiterlesen
Doch was erhoffen sich die Täter bzw. die Täterinnen von ihrem Verhalten?
Digitale Wege bieten der Gewalt ausübenden Person noch mehr Möglichkeiten, um Kontrolle und Überwachung fortzusetzen. Sie zielt u.a. auf die Belästigung, Herabwürdigung, Rufschädigung, soziale Isolation und die Nötigung oder Erpressung eines bestimmten Verhaltens der Betroffenen ab, was oftmals psychische und körperliche Auswirkungen für diese zur Folge hat.
Um sich so gut wie möglich vor der Veröffentlichung und Weitergabe persönlicher Daten zu schützen, gilt grundsätzlich folgende Regel:
Teile keine Daten im Internet und verschicke keine Fotos, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind!